Private Krankenversicherungen kürzen, wo sie nur können. Manchmal auch, wenn sie es gar nicht dürfen. Zur Begründung wird dann auf Höchstsätze in Verzeichnissen verwiesen, die sich an die Erstattungssätze der Beihilfe oder die Leistungen für gesetzliche Krankenversicherte orientieren. Besonders problematisch wird das, wenn derartige Leistungsverzeichnisse gar nicht vereinbart wurden. Denn maßgeblich sind allein die vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Vertragspartnern.
Diese Erfahrung musste jüngst die DKV, die Deutsche Krankenversicherung AG, machen, und das mit vorheriger Ansage. Wir hatten der DKV AG außergerichtlich wiederholt detailliert die Gründe dargelegt, warum die Kürzung der mit der Behandlerin vorab vereinbarten Kosten für Ergotherapie nicht gerechtfertigt ist.
Das Amtsgericht Lemgo hat uns nun mit Urteil vom 04.05.2021 (Az. 18 C 164/20) in allen Punkten Recht gegeben. Die Entscheidung ist rechtskräftig und zeigt, dass privat Krankenversicherte vor Behandlungsbeginn eine Honorarvereinbarung mit dem Behandler abschließen sollten.
Die DKV AG hatte an ihren Versicherten ein Verzeichnis versendet, wonach sie künftig nur noch bis zu einer gewissen Höhe leistet. Die Leistungen für Ergotherapie könnte nur bus zu einem Betrag in Höhe von maximal 54,80 Euro erstattet werden. Dabei hat sich die DKV AG an den Beihilfesätzen und den Kosten orientiert, die die gesetzlichen Krankenkassen zahlen, weil ja immerhin 90% allen Versicherten Mitglieder in der GKV seien. Dem hat der Versicherungsnehmer unter Hinweis auf seinen Vertrag, der eine tarifliche Erstattung in Höhe von 100% ohne Geltung eines Verzeichnisses mit Höchstsätzen vorsieht, widersprochen. Die DKV ist jedoch bei ihrer Ansicht geblieben, dass sie zur Kürzung berechtigt sei, und zwar auf die taxmäßige übliche Vergütung gemäß § 612 BGB. Auf die übliche Vergütung kommt es aber nur an, wenn keine Honorarvereinbarung abgeschlossen wurde. Zwischen dem Versicherungsnehmer und seiner Ergotherapeutin wurde aber vor Behandlungsbeginn das Honorar vereinbart (74,00 EUR pro 45 Minuten), so dass § 612 BGB gar nicht anwendbar ist. Dies hat das AG Lemgo bestätigt.
„In dem Übersenden dieses Verzeichnisses unterbreitete die Beklagte dem Kläger allenfalls ein konkludentes Angebot auf Modifizierung des ursprünglichen Krankheitskostenversicherungsvertrag dergestalt, dass die Kosten der Ergotherapie nunmehr auf einen Höchstbetrag von 54,80 EUR zu begrenzen seien. Dieses Angebot lehnte der Kläger mit Email vom 01.08.2019 allerdings entschieden ab.“
Die mit der Ergotherapeutin vereinbarten 74,00 EUR für 45 Minuten seien auch der Höhe nach nicht zu beanstanden:
„Die Beklagte überzeugt nicht, sofern sie meint, nach § 612 Abs. 2 BGB sei als Maßstab für die Höhe der Vergütung der Ergotherapeutin die taxmäßige Vergütung heranzuziehen. Die Beklagte beachtet insoweit nicht, dass nach dieser gesetzlichen Vorschrift auf eine taxmäßige Vergütung lediglich dann zu rekurrieren ist, wenn die Höhe der Vergütung nicht vertraglich bestimmt ist. Dies ist hier allerdings nicht der Fall, die Vergütung ist hier bestimmt. Denn die Leistungen der Ergotherapeutin finden ihre rechtliche Grundlage unstreitig auf der Honorarvereinbarung zwischen ihr und dem Kläger, wonach 74,00 EUR / 45min vereinbart ist. Die Beklagte dringt auch mit ihren Vergleichen zu der gesetzlichen Krankenkasse und zur Beihilfe nicht durch, denn das hier streitgegenständliche Verhältnis zwischen den Parteien – als privates Krankenversicherungsverhältnis – ist schon wegen der grundlegenden Strukturunterschiede dieses Systems mit den Systemen der gesetzlichen Krankenversicherung und der Beihilfe nicht vergleichbar.“
Amtsgericht Lemgo, Urteil vom 04.05.2021, Az. 18 C 164/20 (rechtskräftig)