Artikel vom 26.06.2010 im Westfälisches Volksblatt
Von Hubertus Hartmann
„Paderborn (WV). Ein übles Foul hat Michael Ballack um die WM gebracht. Dass der Nationalmannschafts-Kapitän seinen Widersacher Kevin-Prince Boateng auf Schmerzensgeld verklagen wird, ist unwahrscheinlich. Ein ebenfalls schwer gefoulter Hobbykicker aus Paderborn hat indes beim Landgericht 37 500 Euro erstritten.
Es passierte vor fünf Jahren bei einem Landesligaspiel des BVL Bad Lippspringe gegen DJK Mastbruch (Endstand 1:1). Die zweite Halbzeit ist kaum angepfiffen, als der Mastbrucher, damals 21 Jahre jung, mit dem Ball am Fuß auf das gegnerische Gehäuse zustürmt, nur noch einen Gegenspieler und den Torwart vor sich. Gekonnt lässt er mit einer Körpertäuschung den Abwehrspieler aussteigen und zieht links vorbei. Doch der Verteidiger setzt zur berüchtigten Blutgrätsche an, fährt dem Angreifer von hinten in die Beine und trifft dessen rechtes Knie.
Der Schiedsrichter zeigt dem Lippspringer ohne Zögern die rote Karte, der Gästespieler wird schwer verletzt vom Rasen getragen. Im Spielbericht vermerkt der Unparteiische: »Der Spieler … trat seinem Gegenspieler von hinten in die Beine, ohne den Ball spielen zu können«.
Im Krankenhaus diagnostizieren die Ärzte einen Kreuzbandriss, eine schwere Beschädigung des Schienbeinkopfplateaus (Tibiakopf) sowie einen Innenmeniskus-Riss. Im St.-Vincenz-Krankenhaus Paderborn wird er am 15. Mai 2005 operiert und bekommt eine Kreuzbandplastik.
Das Foul hat nicht nur die sportliche Karriere des talentierten Kickers vorzeitig beendet. Er befindet sich seitdem permanent in ärztlicher Behandlung. Mehrere Arthroskopien, Knorpelglättungen und eine Teilentfernung des Meniskus folgen. Anfang 2008 schickt ihn die Deutsche Rentenversicherung zur Reha nach Bad Wildungen. Die Beschwerden werden zwar gelindert, aber nicht behoben. Immer wieder ist das Knie entzündet, die Knorpelschäden schreiten voran. In nächster Zeit ist eine weitere Operation erforderlich, um eine Arthrose zu verhindern.
»Länger als eine Stunde kann mein Mandant nicht stehen oder spazieren gehen«, berichtet sein Rechtsanwalt Nikolaos Penteridis aus Bad Lippspringe. »Jede andauernde, alltägliche Belastung verursacht heftige Schmerzen, die ihn in seiner Lebensführung und -gestaltung mehr als nur unerheblich beeinträchtigen.« Zudem fühle er jeden Wetterumschwung im Knie.
»Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sind die durch den Regelverstoß verursachten Folgen als Dauerschäden einzustufen«, erläutert der Anwalt. Deshalb habe der Kläger Anspruch auf ein angemessenes Schmerzensgeld. »Die Attacke des Beklagten ist für die Verletzung des Klägers ursächlich und damit haftungsbegründend.« Die Haftpflichtversicherung hatte außergerichtlich nur 12 500 Euro gezahlt. Penteridis erhob deshalb Klage und forderte zusätzlich 30 000 Euro. Vor dem Landgericht Paderborn einigte man sich in einem Vergleich schließlich auf weitere 25 000 Euro.
»Angesichts der Verletzungsfolgen sind insgesamt 37 500 Euro sicherlich ein angemessener Betrag«, zeigt sich der Experte für Medizinrecht zufrieden.“