Artikel im Westfälischen Volksblatt vom 26.04.2012
Von Hubertus Hartmann
„Paderborn (WV). Alten- und Krankenpflege geht aufs Kreuz. Viele Pflegekräfte leiden unter Rückenschmerzen.Doch als Berufskrankheit werden die Beschwerden nur selten anerkannt. Elvira M., Mutter von vier Kindern, wirkt zierlich – keine Frau mit Eisenstemmer-Statur. Jahrelang hat sie in ihrem Beruf als Altenpflegerin auch bettlägerige Patienten versorgt und oft schwer gehoben. Bis es nicht mehr ging. Das Leiden begann 2005. Zuerst waren es hexenschussartige Schmerzen. Spritzen, Tabletten, Krankengymnastik, ein paar Tage Schonung, und sie konnte wieder arbeiten. Als im Mai 2011 die Schmerzen allerdings ins rechte Bein ausstrahlten und sie ihren Fuß nicht mehr heben konnte, schrillten die Alarmglocken. Diagnose: akuter Bandscheibenvorfall. Zweimal wurde die heute 49-Jährige operiert, doch die Schmerzen blieben. Elvira M. leidet inzwischen unter einem chronischen Schmerzsyndrom.
Bei der Berufsgenossenschaft (BG) für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege stellte sie einen Antrag auf Berufsunfähigkeitsrente. Mit der pauschalen Feststellung, ihre Angaben seien »unrealistisch und nicht nachvollziehbar«, wurde der Antrag abgelehnt. Eine durch langjähriges Heben und Tragen schwerer Lasten in extremer Rumpfbeugung verursachte Berufskrankheit sei nicht erkennbar. Vielmehr handle es sich um »altersbedingte Beschwerden«.
Elvira M. schaltete den Bad Lippspringer Rechtsanwalt Nikolaos Penteridis ein. Er erhob Klage beim Sozialgericht Detmold und bemängelte, die von der BG angewandte Berechnungsmethode für eine Berufskrankheit basiere auf falschen Voraussetzungen. Das Gericht beauftragte einen unabhängigen Gutachter, der keine Zweifel daran ließ, dass es sich bei der Altenpflegerin um ein berufsbedingtes Krankheitsbild handelt.
Der Sachverständige kritisierte die Beurteilungskriterien der BG in Form einer »Fallkatalogisierung«. Jeder Einzelfall müsse individuell und sorgfältig betrachtet werden, heißt es in seiner Expertise. Das Sozialgericht sprach Elvira M. daraufhin die beantragte Berufsunfähigkeitsrente zu.
Für Rechtsanwalt Penteridis »zeigt dieser Fall eindrucksvoll, dass Betroffene negative Entscheidungen der Berufsgenossenschaft nicht einfach hinnehmen sollten«. Von der BG bezahlte Gutachter urteilten oft leider nicht unabhängig.